Am Mittwoch Morgen um 9.30 kam Gökan, der Perkins Diesel Spezialist wegen der gerissenen Getriebeglocke. Er ist gleich mit seinen zwei Söhnen angerückt und hat das Teil in für uns rasender Geschwindigkeit ausgebaut. So trivial fand ich das nicht. Getriebe abschrauben, Motor abstützen, Anlasser abbauen, Getriebeglocke weg. Es war faszinierend, mit welcher Geschwindigkeit er mit einem Gabelschlüssel hantierte. Das hatte ich vorher noch nie gesehen.
Nach einem Tee bei Okan gings darum, jemand für das Schweissen der Glocke zu finden. Vier Versuche – Fehlanzeige. Alle hatten Bayram und waren 400-800km weg bei der Familie. Da stieg der Frustpegel schon wieder….
Offensichtlich ging Bayram (Opferfest) früher drei Tage. Der amtierende Präsident hat allerdings zum gewinnen von Wählerstimmen das dann auf 15 Tage verlängert. Selbst die Türken finden das wunderlich.
Gökan hat sich dann auf den Weg nach Marmaris gemacht, um dort doch noch jemand zu finden, der Alu schweissen kann. Das ist ja eben nicht ganz so einfach wie Stahl, es braucht eine entsprechende Ausrüstung und das Können dazu. Davon gibt es nicht so viele.
In der Zwischenzeit konnten wir nicht viel machen, also haben wir Ahmet angerufen – er sollte uns (Sandra & mich) mit seinem Taxi in die Stadt bringen. Marc war schon mit Okan in die Stadt gefahren. Er wollte dort einen Kescher kaufen. Ich hatte zwar mal einen auf dem Boot, der war aber vollkommen kaputt. Und wenn wir dann doch mal Fische fangen sollten, bräuchte es schon wieder so ein Teil. Offensichtlich ging es Marc mit Okan zusammen gut – die beiden sind im Handwerkerviertel dann noch Mittag essen gegangen. In so einem Lokal ‹Essen wie bei Muttern›. 🙂
Marc haben wir dann wieder getroffen und sind dann nach ein paar Besorgungen noch bei Hasan Usta ein Eis essen gegangen. Wer weiss denn, wie lang es geht, bis ich nochmal ein Maulbeereis kriege…
Als wir gerade fertig waren, hat uns Andi angerufen und gesagt, dass die Glocke wieder da sei. Fertig geschweisst. Und dass Gökan gerade wieder einbauen würde. Ich dachte eigentlich, er will uns auf den Arm nehmen. Aber das Gegenteil war der Fall. Gökan hat vom Ausbau über das Schweissen (mit Suche), lackieren, Gewinde reparieren, zweimal die Strecke Marmaris-Adaköy und Einbau nur etwa 5 Stunden gebraucht!!
Nachdem uns Okan dann noch mit einer neuen, vollen Gasflasche versorgt hatte haben wir ein Festgrillen veranstaltet und diesen Umstand erstmal – im Rahmen der Möglichkeiten – gefeiert. Zwischenzeitlich lag neben uns ein Motorschiff von einem Deutschen. Der hatte Andi erzählt, dass er aus der Netsel Marina (die nahe Marmaris) gehen musste – sie hatten seine Liegegebühr um mehr als das dreifache angehoben. Vollkommen verrückt. Er meinte auch, dass sie in der Nacht dann nach Düsseldorf abreisen.
Nach unserem Festmahl sind wir recht früh ins Bett gegangen, wir wollten schliesslich am nächsten Morgen zügig los. Ziel war bis nach Datca zu segeln, immerhin etwa 45 Meilen.
In der Nacht um drei Uhr gab es dann aber ein Riesen Tohuwabohu, von dem nicht nur ich sondern alle an Bord aufgewacht sind. Ganz wach war ich dann, als eine Frauenstimme vom Nachbarboot schrie:
‹HAAAAALOOOOO!!!!!› — ‹HAAAAALOOOOO!!!!!› — ‹KANN MIR JEMAND HELFEEEEEEEEEN!!?!?›
‹HAAAAALOOOOO!!!!!› — ‹HAAAAALOOOOO!!!!!› — ‹KANN MIR JEMAND HELFEEEEEEEEEN!!?!?›
‹IHR KÖNNT DOCH NICHT ALLE ABHAUEN UND MICH HIER ALLEIN LASSEN!!!›
Uff. Zur Klärung: Es ging schlussendlich nicht um eine Situation Leben oder Tod. Alle ausser Ihr mit Ihrem Köfferchen hatten es über die Gangway an Land geschafft. Pffff….
Offensichtlich fehlte da vollkommen die Sensibilität, dass nebenan auch noch jemand sein könnte.
Sandra meinte am nächsten Morgen nur trocken, dass das eigentlich DIE Gelegenheit gewesen wäre, die loszuwerden. 🙂
Nach ein bisschen weiterem Schlafen sind wir dann um 6 Uhr mit dem Bio Muezin (Hahn) aufgestanden und haben das Boot klargemacht zum Ablegen. 6:45 ging es los.
Ein bisschen Wehmut ist da schon dabei, denn die letzten 4 Jahre war das nicht nur einfach ein ‹Reparaturort›. Freundschaften sind entstanden und man kannte das Ganze dort. Die türkische Lebensart und Gastfreundschaft (der Normalbevölkerung), die ich auch Dank Okan kennenlernen durfte ist schon bemerkenswert.
Wir werden Okan im August dann in Izmir besuchen.
Dennoch – jetzt ging es auf zu neuen Ufern. Ziel Samos, etwas schneller eben als geplant. Aber das sollte hinzubekommen sein. Da völlige Windstille waren, haben wir während dem Fahren mit dem Diesel dann gefrühstückt. Als wir dann das Kap beim Sailors House (Besuch musste leider ausfallen) gerundet hatten, gab es ein wenig Wind und wir konnten eine Weile segeln, bis der Wind wiederum eingeschlafen ist. Also mal auf dem Meer gebadet und sich vom Boot hinterher ziehen lassen. Nach Symi kam dann gut Wind auf und wir sind bei Halbwind und flotter Geschwindigkeit schneller in Datca gewesen als gedacht.
Dort angekommen, sind wir zur Polizei zum Ausklarieren. Geschlossen. Ich wusste ja noch, dass oben der Zoll ist (die netten Herren mit dem Einklarieren mit einer Tasse Tee :). Die haben mir dann erklärt, dass das nur mit Agent ginge. Neeee… nicht schon wieder! Und ich hatte gedacht, das ginge im Alleingang und billiger. Aber den Agenten kannte ich ja schon – also dort hin. Der hat uns dann erklärt, dass er die Polizei und alle anderen wegen Bayram erstmal auftreiben muss. Hat er dann auch getan und etwa eine Stunde später waren wir staatenlos. Aus der Türkei ausklariert – aber nirgends wieder drin. Das kennt man an Land eigentlich nicht. Mit Grenzübertritt ist man ja automatisch im anderen Land. Wir nicht….bis wir dann am Folgetag in Symi einklarieren.
Danach gings zum Metzger und anschliessendem Abendessen in der ehemaligen ‹Fischbude›. Die ist ja nicht mehr so eine Fischbude, nachdem das ein paar junge dynamische übernommen haben. Immernoch gut – aber nicht mehr das Gleiche.
Zurück zum Boot – erstmal baden und dann den Tag gemütlich ausklingen lassen. Das war der Plan. Blöderweise trieb ein Gewitter in weiterer Entfernung sein Unwesen und die Ausläufer kamen in Form von Wind bei uns an. Was zur Folge hatte, dass etwa die Hälfte der geankerten Boote – darunter auch wir – den Anker neu setzen mussten. Da war noch ziemlich Action dann um Mitternacht in der Bucht. Wir hatten den Anker aber relativ schnell (im Dunkeln) wieder gesetzt. Das haben wir das per Peilung und GPS eine Weile beobachtet. Er hielt jetzt sicher bei knapp 20kn Wind. Rundherum war noch eine Weile was los. Zwei Mädels, die mit Ihrem Boot direkt vor uns ankern wollten mussten wir denn auch noch verscheuchen. Es war einfach zu nah. Das ist aber eben auch nicht wirklich einfach, bei starkem Wind in der Dunkelheit. Sie haben das aber schlussendlich gut gelöst und lagen dann auch sicher – zwar fast in der Fahrtrinne – aber spielt nicht so eine Rolle für ein paar Stunden. Einige Andere haben sehr viele Anläufe gebraucht – bis dann im Ankerfeld wieder Ruhe eingekehrt ist…
Heute werden wir uns dann Symi aufmachen um dort einzuklarieren und Grillkohle zu kaufen. Die haben wir in Datca nämlich nicht gefunden…
Ihr Lieben,..im Moment staatenlosen -..
es ergreift einem wirklich die Wehmut, wenn man bedenkt, was für zuvorkommende ,wunderbare Menschen Okan, Gökan etc. sind.. , immer hilfsbereit und sich für Euch einsetztend. !!! Mit einer Träne im Auge seid Ihr bestimmt abgefahren.
Nun aber den Blick nach vorne, Symi ruft. Einen Moment lang, ging mir durch den Kopf : da wird doch wg. Bayram nicht auch alle Behörden geschlossen sei?!?! – dann fiel mir ein, daß Symi ja in Griechenland ist. Ich hoffe, Ihr habt eine gute Überfahrt und keine Unwetter zu erwarten, so wie Deutschland immer betroffen ist.
Ich freue mich auf die weiteren Neuigkeiten Eures Törns, – die Fotos von Hund und Katz liebe ich auch. Übrigens : was war das für ein Fisch mit dem aufgerissenem Maul?
So wie ich das sehe, macht sich Marc als Crew-Mitglied ganz prächtig, oder? Wir freuen uns, daß alles so gut klappt mit ihm.
Nun warten wir mit Spannung auf die nächsten Einträge.
PS. die Verdreifachung der Marinagebühr in Marmaris wird noch den Letzten von dort vertreiben…
Grüßli Maus
PS: beim nochmaligen Durchlesen fiel mir auf, daß Symi doch noch in der Türkei liegen muß, wenn es vor Daca kommt??! Aber ich kann mich an Fotos vom Hafen erinnern, wo viele griechisch anmutende Gebäude zu sehen waren, …